Solarstrom ist einer der Pfeiler der Energiewende. Doch ein Großteil der Anlagen wird sich auf Dächern und Fassaden finden, und somit in den Ortsnetzen. Im Interview sprechen Jens Schwedler und Jan Schönfeld vom mitteldeutschen Verteilnetzbetreiber MITNETZ STROM über die Verteilnetze der Zukunft.
„Die Energiewende findet in den Verteilnetzen statt“
Die Energiewende hat große Auswirkungen auf die Verteilnetze. Über 90 Prozent der Erzeuger von grünem Strom speisen dort ein. Ein deutsches Forschungsprojekt ermittelt, wie Verteilnetze der Zukunft aussehen.
„Die Energiewende findet in den Verteilnetzen statt“
Die Energiewende hat große Auswirkungen auf die Verteilnetze. Über 90 Prozent der Erzeuger von grünem Strom speisen dort ein. Ein deutsches Forschungsprojekt ermittelt, wie Verteilnetze der Zukunft aussehen.
Was sind die größten Herausforderungen im Betrieb von Ortsnetzen?
SCHÖNFELD: In unseren Verteilnetzen haben wir insgesamt 55.000 Anlagen für erneuerbare Energien. Damit wird fast 20 Prozent mehr Energie produziert, als unsere Kunden verbrauchen. Das heißt, wir haben es tendenziell mit einer Überlastung der Verteilnetze und einer Lastflussumkehr zu tun.
SCHWEDLER: Gleichzeitig beobachten wir auch verbraucherseitig massive Veränderungen, vor allem durch die Elektrifizierung der Bereiche Wärme und Mobilität. Die Wachstumsraten bei der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität sind enorm. Das führt zu drastischen Schwankungen zwischen Erzeugung und Verbrauch. Die eigentliche Energiewende findet also zu einem großen Anteil in den Verteilnetzen statt.
Was bedeutet das für Sie als Netzbetreiber?
SCHÖNFELD: Die Netze sind insgesamt nicht dafür ausgelegt. Sowohl die Erzeugungsspitzen als auch die Verbrauchsspitzen machen uns Probleme, da sie zeitlich auseinanderfallen.
Welche Auswirkungen hat das auf die Spannungsqualität?
SCHWEDLER: Jeder Einspeiser und jede Last beeinflussen die Spannungsqualität – und das auf allen Netzebenen. Das sind Einflüsse, die sind oft sehr weit weg von der Steckdose unserer Kunden. Wir müssen aber dennoch einen Qualitätsstandard garantieren. Vor allem an langen Netzausläufern führt das zu einem unregelmäßigen Spannungsbild. Unsymmetrische Belastungen und Oberschwingungen sind weitere negative Effekte.
Wie reagieren Sie darauf?
SCHÖNFELD: Eine Möglichkeit wäre, darauf mit dem Ausbau der klassischen Betriebsmittel zu reagieren: neue Kabel, neue Transformatoren. Doch das wäre nicht besonders effizient.
SCHWEDLER: Wir suchen intelligentere Lösungen als den Aufbau von Überkapazitäten und haben dazu das Projekt Flexnet-EkO gemeinsam mit Reinhausen ins Leben gerufen. Hier erforschen wir zusammen mit der Technischen Universität Dresden und der Hochschule Mittweida, wie sich Umrichter- und Speichertechnik von Reinhausen dafür einsetzen lassen.
Was sind die konkreten Vorteile der Reinhausen-Technologie?
SCHWEDLER: Das Ortsnetz wird entkoppelt. Das heißt, die Spannung wird nicht mehr irgendwo im Kraftwerk generiert, sondern wir bilden mit Hilfe der Halbleitertechnik das Drehstromsystem mit einer ganz sauberen sinusförmigen Spannungskurve nach. Alle negativen Einflüsse aus der Hoch- und Mittelspannungsebene sind damit eliminiert. Der Umrichter bietet uns zudem eine ganze Reihe von Steuerungsmöglichkeiten. Wir können Oberschwingungen kompensieren und dem Kunden immer saubere Spannungsqualität liefern. Mit den Batteriespeichern können wir Spitzen puffern und so Nachfrage und Angebot innerhalb des Verteilnetzes in Einklang bringen sowie Rückwirkungen auf die vorgelagerte Mittelspannungsebene reduzieren. Außerdem gibt uns die Halbleitertechnik die Möglichkeit, Signale zu übertragen.
Was sind das für Signale und wie nutzen Sie diese?
SCHÖNFELD: Mit den Umrichtern bauen wir nicht nur die Netzfrequenz komplett neu auf, sondern wir können die Frequenz im Bereich von 10 Millihertz variieren. Das ist für den Kunden nicht spürbar. Wir können mit dieser Frequenz aber Verbraucher und Erzeuger steuern. Wenn das Ortsnetz mehr Solarstrom produziert als es verbraucht und diesen auch nicht in das vorgelagerte Netz einspeisen kann, laden wir den Batteriespeicher und geben Wärmepumpen und Ladesäulen frei.
SCHWEDLER: Die Vision ist, dass wir so innerhalb der Verteilnetze den Lastfluss steuern und Angebot und Nachfrage aussteuern, sodass teure Redispatch-Maßnahmen erst gar nicht mehr nötig werden.
FlexNet-EkO
Flexibilisierung des Netzbetriebs durch entkoppelte Ortsnetze: Eine der aktuell großen Fragen ist es, wie man in einem lokalen Ortsnetz flexible Verbraucher und Erzeuger bestmöglich aufeinander abstimmen kann, gleichzeitig eine optimale Spannungsqualität sicherstellt, sowie die vorhandenen Betriebsmittel entlastet und die Versorgungssicherheit gewährleistet oder sogar erhöht. Genau dieser Fragestellung gehen MITNETZ STROM, die Hochschule Mittweida, die Technische Universität Dresden und Reinhausen im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsprojekts nach.
Diese Ziele verfolgt FlexNet-EkO:
- Hochzuverlässige Versorgung des Ortsnetzes mit hoher Spannungsqualität
- Test des neuen Betriebsmittels Netzkupplung im Netz
- Test der Ansteuerung dezentraler Verbraucher und Erzeuger mittels Frequenzmodulation
- Entwicklung von Planungs- und Betriebskriterien für modulare Netze
Mehr zu diesem Thema finden Sie in unserem Magazin ONLOAD: