Jeder weiß: Die Anforderungen an Energienetze ändern sich gerade so schnell, wie noch niemals zuvor. Zukunftsforscher Lars Thomsen macht in fünf Thesen deutlich, wohin die Entwicklung läuft und welche Chancen dabei entstehen.
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Fünf Thesen zur Zukunft der Stromnetze
Zukunftsforscher Lars Thomsen zeigt, warum die Energiewirtschaft schnell handeln sollte und was sie davon hat.
Fünf Thesen zur Zukunft der Stromnetze
Zukunftsforscher Lars Thomsen zeigt, warum die Energiewirtschaft schnell handeln sollte und was sie davon hat.
1. Wir bekommen intelligente, atmende Netze.
In der Energiewirtschaft sehen wir zwei große Trends: 1. Regenerative Energiegewinnung boomt. Dies belastet die Netze durch höhere Volatilität. 2. Fossile Energieträger werden nach und nach durch Strom ersetzt. Dadurch wird sich der Strombedarf in 20 Jahren verdoppelt haben. Beide Entwicklungen sind nur beherrschbar, wenn wir regenerative Erzeugung, steuerbare Lasten und mobile und stationäre Speicher intelligent in einem atmenden Netz verteilen. Dies gelingt über sogenannte Smart Grids, die Verbrauchsmuster erkennen und darauf reagieren können. Die zweite Lösungsanwendungen sind alle Arten von Stromspeicher, die die volatile Einspeisung ausgleichen. Wäre ich Hersteller oder strategischer Investor, würde ich in Technologieanbieter rund um Smart Grids und Stromspeicher investieren.
2. Investitionen in Energieinfrastruktur zahlen sich schnell aus.
Und das ist das erste Mal in der Geschichte der Energiewirtschaft so! Denn bisher galt: hohe und regulierte Startinvestition, lange Amortisierungsphasen. Das war bequem für die Etablierten, aber Wettbewerb und Innovation gab es wenig. Das ändert sich jetzt. Firmen wie IBM, Tesla oder Google sitzen in den Startlöchern, um mit Software- und KI-Lösungen nicht regulierte Teile der Energienetze aufzumischen. Die etablierte Energiewirtschaft kommt dadurch unter Innovationsdruck – und das ist sie nicht gewohnt.
Die gute Nachricht ist aber: Diese Investitionen werden sich rasch lohnen, da sie dort ansetzen, wo neue Technologien am profitabelsten eingesetzt und den höchsten Nutzen versprechen. Vor allem Investitionen in innovative Software, Peak-Shaving- und Rapid-Response-Systeme, Spitzenglättungs-Batterien, DC-Schnelllade-Infrastruktur, intelligente, dezentrale Speicherflotten dürften in den kommenden Jahren boomen. Daneben verändern sich weite Teile der Prozesse rund um Abrechnung und Systemsteuerung wie etwa blockchain-basierte Smart Contracts und marktgeführte Tarif- und Abrechnungssysteme.
3. Strompreistarife werden noch variabler.
Und zwar bis hinab zur Konsumentenebene. Da die Volatilität der Einspeisung steigt und „netzfreundliche“ Abnahme belohnt werden sollte, wird es durch schwankende Preise einen steuernden Marktmechanismus geben bis hin zum einzelnen Endverbraucher. Die Preise folgen dann stärker der Logik von Angebot und Nachfrage als bisher, denn mit einem hohen Anteil regenerativer Quellen haben wir immer entweder zu viel oder zu wenig Strom im Netz. Tragen Verbraucher zur Entlastung der Netze bei, zahlen sie zum Lohn einen geringeren Preis. Dies wird auch die Nachfrage erhöhen nach Smart Grids beziehungsweise Technologien für Smart Homes, privaten oder gewerblichen Erzeugungs- und Speicherlösungen sowie speziellen Tarifen für E-Mobility.
4. E-Autos sind Problem und Teil der Lösung zugleich.
Wer sich ein E-Auto anschafft, verdoppelt mit einem Schlag seinen jährlichen Stromverbrauch. Darum ist das Anwachsen der E-Autoflotte in allen Ländern eine immense Herausforderung für Energienetze. Aber ein E-Auto ist nicht bloß ein großer Verbraucher, es ist gleichzeitig ein intelligent steuerbarer Energiespeicher! Es kann auch Energie abgeben, zum Beispiel an das Smarthome seines Besitzers, und zu Zeiten von Spitzenlasten entweder das Laden unterbrechen oder sogar Energie zur Verfügung stellen und damit den Druck auf das Gesamtnetz reduzieren. Laden könnte es automatisch dann, wenn die Spitzenlast vorüber ist.
„Zum ersten mal in der Geschichte zahlen sich Investitionen in Energieinfrastruktur schnell aus.“
Lars Thomsen, Zukunftsforscher
5. Regenerative Energiequellen nehmen so oder so zu.
Dass der Ausbau regenerativer Quellen sinnvoll ist, werden die meisten unterschreiben. Die Klimaveränderung legt uns diesen Gedanken nahe und die meisten Regierungen der Welt puschen den Ausbau. Man muss allerdings kein Klima- oder Umweltschützer sein, um auf Wind und Solarenergie zu setzen. Grundlagen in BWL reichen, denn: Der Betrieb eines Kohlekraftwerks etwa lohnt sich kaum noch. Währenddessen beschleunigt sich der Return on Invest bei regenerativen Energiequellen. Ganz besonders bei Solarenergie. Hier ist der Zeitraum nur noch sechs bis acht Jahre. Das entspräche einer Investition am Kapitalmarkt mit einer sicheren Verzinsung von um die acht Prozent! Egal ob Eigenheim oder Industriepark – man müsste schon ein bisschen blöd sein, auf ein neuerrichtetes Dach keine Fotovoltaikzellen zu packen.
Zur Person
Lars Thomsen, Trend- und Zukunftsforscher, 1968 in Hamburg geboren, ist Experte für die Zukunft von Energie, Mobilität und Smart Networks. Mit seiner Firma future matters AG in Zürich berät er mit einem Team europäischer Zukunftsforscher Unternehmer Firmen, Konzerne, Institutionen und regierungsnahe Stellen in Europa bei der Entwicklung von Zukunftsstrategien. Außerdem ist er Mitglied zahlreicher Think Tanks und der World Future Society in Washington, D.C. Lars Thomsen lebt mit seiner Familie am Zürichsee in der Schweiz.
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